Mittwoch, 29. Oktober 2014

Liselotte, Beatrice, Rosi und ein unbekannter Dialekt

Am Freitag fuhr ich nach Stuttgart, um Mr. J vom Flughafen abzuholen. Auf dem Weg dorthin hielt ich in Dusslingen bei Tübingen, denn ich wollte den virtuellen Facebookfreund Thomas Leon Heck in seinem Antiquariat zu besuchen. Ich gebe zu, ich war sofort begeistert von den "Heckschen Hallen"! Stellt Euch ein riesiges Gebäude vor, dessen innere Wände von einem Labyrinth aus Bücherregalen gebildet werden. Diese sind logisch geordnet - man findet z.B. geschichtliche Bücher, unterteilt in griechisch, römisch, Mittelalter usw. Oder einen großen Stapel "Präsidentengattinnen" von Jacky O. Kennedy bis Michelle Obama. Ich habe nur einen Bruchteil gesehen, es muss auch eine obere Etage geben, denn ich hörte Hundegetrappel über mir. (Rika hat sich sofort mit dem Hund des Besitzers auf eigene Erkundungstour begeben). Auch Gemälde, Geschirr, alte Handschriften, Wanduhren, Hausrat ... findet man hier. Am Freitag stieß ich zufällig auf zwei kleine Schätze, die mich nach Hause begleiteten.

1. "Die Briefe der Liselotte" - klar, dass ich DIE haben musste! Liselotte von der Pfalz (1652 - 1722) soll während ihres siebzigjährigen Lebens etwa 60.000 Briefe geschrieben haben, von denen etwa 3.000 erhalten sind. Die in Heidelberg geborene spätere Herzogin von Orleans beschreibt darin vor allem die Zustände am französischen Hof und äußert sich oftmals kritisch über ihre adligen Mitmenschen. Wie gut, dass ich die schöne altdeutsche Fraktur Schrift lesen kann! 


Mit sieben Jahren bekam sie ein Hundchen ;-) Glückliches Kind! Aber ob sie DEN Brief wirklich selbst schrieb?

2. "Der arme Poet" von Carl Spitzweg. Dieses Bild ist ja schon fast ein running gag in Bezug auf unser ehemals undichtes Dach! Seit letzter Woche ist das neue Dacht komplett fertig. Das Bild von Spitzweg ist eine liebevolle Erinnerung an die Indoor-Regen-Zeit und freundliche Bauarbeiter aus dem Norden.


Schätze - Frodo wollte unbedingt mit aufs Bild! 

Interessant war dann vor allem ein Gespräch mit Thomas.  Ich erzählte, dass mich als Kind ein Gemälde sehr beeindruckt hätte. Darauf sei ein Mädchen abbildet, das angeblich seine Eltern ermordet hat. Sofort kam: "Beatrice Cenci, von Guido Reni." Recht hat er, wie google bestätigte. Die Geschichte der Beatrice ist allerdings etwas anders, als Liselotte (!!!) sie mir vor Jahrzehnten erzählte. Traurig, grausam und ziemlich ungerecht, finde ich. Lest selbst:



"Beatrice Cenci" ©Wikigallery.org

Wenn Ihr jetzt Lust bekommen habt, den genannten Autoren, Auktionator,  Verleger, Antiquar und Kunstexperten in seinen Heckchen Hallen zu besuchen, dann schaut doch zunächst einmal auf seine Website: 


Zum Schluss noch etwas Lustiges. Als die Bauarbeiter aus Güstrow unser Dach sanierten, sprach mich Rosi,  unsere Nachbarin an. "Die haben ja so einen schönen Dialekt, was ist das?" fragte sie. "Das", antwortete ich lächelnd, "ist Hochdeutsch." Wir lachten beide herzhaft, denn Rosi ist und bleibt Schwäbin.


2 Kommentare:

  1. Das ist nicht das Bild, das bei Liselotte sen. in der Wohnung hing, oder? Zu dem bekam ich immer als Antwort auf die Frage, wer die Person sei: Ein Mädchen, das lebendig eingemauert wurde, weil es seine Eltern umgebracht hat. Schöne Geschichte, lese ich deshalb so viele Krimis und Horrorgeschichten? LG fidibus

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  2. Lieber Fidibus - genau! Das mit dem lebendig einmauern ist mir auch in gruseliger Erinnerung geblieben. Aber die wahre Geschichte ist noch viel grausamer, finde ich. Und wir beide schieben jetzt unsere Horrorgeschichten-Vorliebe auf die frühkindliche Prägung durch Liselotte sen.! ;-)

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