Dienstag, 27. März 2012

Ein ganz normaler Tag, oder?


Oh, dieser Tag! Heute läuft aber auch alles quer. Ich bin sauer und werde mich beschweren. Bei IHM - diesem Tag, der mit überkochender Milch begann, im Büro nur aus problemgeladenen Meetings bestand und mir nichts als unangenehme Rechnungen in den Briefkasten warf.

Im Geiste lege ich mir meine Worte zurecht. Ganz sachlich und ruhig werde ich mit ihm reden. Dann wird er hoffentlich seine Fehler einsehen und sich künftig mehr Mühe geben. 

Da sitzt er ja - der Tag! Lächelt mich einfach an. Hockt mitten auf der Wiese und hat dabei lässig die Beine übereinandergeschlagen. Sein Haar glänzt golden in der Sonne. Was tut er da? Ich setze mich neben ihn und schaue zu, wie er behutsam eine Perle aus einem Körbchen nimmt und auf eine Schnur fädelt. Es ist eine wunderschöne Perle. Leuchtend gelb und glänzend, wie die Blume, die heute auf meiner Fensterbank ihre ersten Knospen öffnete. Fast glaube ich, dass sie den gleichen, zarten Wohlgeruch verströmt. Eine zweite Perle holt der Tag hervor. Sie ist von einer undefinierbaren Farbe, graubraun-dunkelweiß. Aber sie sieht genauso flauschig aus, wie die Schafe, die am Straßenrand weiden. Am liebsten würde ich diese Perle mit meinen Händen berühren, darüber streicheln, fühlen, wie weich sie ist. Auch diese Flauschperle fädelt er auf die Schnur und lächelt dabei. 

Das Spiel gefällt mir. Ich bin neugierig, was als Nächstes kommt. Es ist eine grüne Perle, und sie duftet nach Sommer, wie die frisch gemähte Wiese nebenan. Tief atme ich ein, schließe die Augen und denke dabei an viele glückliche Sommertage. Als ich wieder aufblicke, ist auch die grüne Perle bereits auf der Schnur, gefolgt von einer unschuldig weißen. Diese scheint sich leicht im Wind zu bewegen und ähnelt den ersten Anemonen, die ich im Wald entdeckte, als ich mit dem Hund spazieren ging.

Der weißen Perle folgt eine braune, die irgendwie saftig aussieht, ganz wie der Schokoladenkuchen, den die Nachbarin heute Nachmittag mit mir teilte. Dann eine goldene - in ihr scheint der Glanz der ersten Sonnenstrahlen gefangen zu sein, die am frühen Morgen durch mein Fenster fielen.

Sie alle fädelt der Tag mit sanfter Bewegung auf die Schnur.

Und ein letztes Mal greift er in sein Körbchen, zieht vorsichtig eine glänzend schwarze Perle hervor. Von ihr geht ein lieblicher Klang aus - wie der Gesang der Amsel, die auf dem Dachfirst unseres Hauses gerade ihr Lied singt. Nachdem auch diese Perle bei den anderen auf der Schnur ist, bindet er sie zusammen, zu einer leuchtend bunten, duftenden und klingenden, wunderschönen Kette.

Dann ist der Tag fort, ganz plötzlich. Seine Schwester, die Nacht, schwebt über die Wiese herbei und breitet ihre schwarzen Tücher aus, alles einhüllend. Für mich wird es Zeit nach Hause zu gehen. Nichts Wichtiges blieb ungesagt. Um meinen Hals trage ich die zauberhafte, einmalige Kette dieses Tages.

1 Kommentar:

  1. Dankeschön!!!!!! ;o))))


    Soooo passend für den heutigen Tag, als hättest du es für/über mich geschrieben....

    LG, Maren R.

    AntwortenLöschen

Danke, dass Du Dir die Zeit genommen hast, meinen Blog zu lesen. Ich freue mich über Deinen Kommentar.