Dienstag, 27. September 2016

Weniger ist mehr

Jeder Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Der ist selten gewaltig, meist eher unscheinbar, zaghaft. Vor allem, wenn man einfach losläuft und schaut, wohin die Reise geht. Wer hier regelmäßig mitliest, durfte mein erstes Verzicht-Experiment mitverfolgen. Von Vier Wochen ohne ... bis No-Pooh, ja und nun? Ohne Shampoo fühle ich mich auch heute, nach fast 5 Monaten, immer noch sehr wohl. Parallel dazu probierte ich die Vielfalt der veganen Ernährung. Kein Witz -  man kann auch ohne tierische Produkte richtig lecker essen. Vor allem, wenn man Vieles frisch zubereitet und auf vegane Grillwürstchen & Co. verzichtet. Dann kam der Geldbeutel dran. Für die Norddeutschen: das Portemonnaie. Von einem "Gerät" in Taschenbuchgröße mit zwei Kleingeldfächern stieg ich um auf den  i-clip. Ursprünglich als Ersatz für die "Hilfsportemonaies" meiner Söhne gedacht, die aber lieber bei ihren Provisorien bleiben wollten, landete das gute Stück bei mir. Es passt in jede noch so kleine Handtasche, nimmt auch beim Mountainbikefahren kaum Platz weg und wiegt fast nichts. Ich bin begeistert! Weniger ist mehr, oder 

"Arm ist nicht der, der wenig hat, sondern der, der nicht genug kriegen kann!"
(Jean Guéhenno)

Falls jetzt jemand fragt: "Wohin mit dem Kleingeld?", so darf dieses bei mir in allen Taschen fröhlich herumklimpern und wird bei kleinen Beträgen immer als Erstes ausgegeben. Aber es ging weiter. Loslassen kann eine Eigendynamik entwickeln. Plötzlich wertschätzt Du die Dinge, die Du wirklich magst. Meine Kinder kamen auf Besuch, alte Schulfreundinnen ebenfalls. Bud und Veca, die liebevollen Gasteltern von Erik, reisten aus Alaska ins Donautal an. Ganz ehrlich - wer solche Gäste hat, nimmt sich Zeit für sie und lässt die virtuellen Freunde ein bisschen außen vor. So war bei mir der 1. August 2016 der Beginn einer Auszeit von Facebook, Xing, Twitter, Stay Friends ... Und, auch wenn das jetzt hart klingt, ich habe fast Nichts und Niemanden vermisst. Im Gegenteil, es war eine Befreiung, nicht mehr jeden Pups von mehreren hundert virtuellen Freunden mitzubekommen, von denen ich wohl nur jeden Zehnten persönlich kenne. Wer mir wichtig war, den konnte ich auf anderem Wege kontaktieren - WhatsApp, E-Mail, Telefon und selbst die gute alte Postkarte kamen zum Einsatz. Auch wenn die Post ein paar der Karten anscheinend verschlampt hat. Während dieser Zeit war ich im Freibad, am Bodensee, habe mitgeholfen, unser Gästebad umzubauen, bei realen Freunden Wände gespachtelt usw. Und tatsächlich gab es eine Handvoll lieber virtueller Freunde, die mich vermissten. Danke, darüber habe ich mich ganz besonders gefreut. Wiebke, Karin, Sophie, Claudia, Nicole, Jenny, Kirstin, ... Inzwischen schaue ich wieder ab und zu bei Facebook herein, aber es übt nicht mehr die magische "ich-könnte-etwas-verpassen-Anziehungskraft" auf mich aus. Ich habe nämlich NICHTS verpasst, in den gut 6 Wochen, die aus dem geplanten einen Monat wurden. 

Und nun? Loslassen könnte ein neues Hobby von mir werden. Potential schlummert noch genug in unserem Haus. Kleiderschrank, Bastelkisten, "Könnte-man-noch-mal-gebrauchen-Dinge". Heute habe ich das große Bücherregal von Ballast befreit. Reiseführer, die älter sind als meine Kinder, führen eher in die Irre, als ans Ziel. Und angeschnittenes Buntpapier "Made in GDR" gehört entweder in den Papierkorb oder ins Museum. 

Wie geht es Euch, wenn Ihr das hier lest? Könnt Ihr loslassen oder redet Ihr Euch mit der Prägung aus Elternhaus, Kindheit, DDR heraus, wie ich es bisher tat? Was könnt Ihr gut loslassen und was gar nicht? 


3 Kommentare:

  1. Liebe Jo,

    schöner Bericht, danke für die Einblicke. Ich kann nur loslassen, wenn ich das Haus verlasse. Das passiert dank Hund und meiner Clownsarbeit jeden Tag. Da ich kein Smartphone besitze, sondern nur ein Uralt-Tastenhandy, komme ich auch nicht in Versuchung, unterwegs ins Netz zu schauen. Wir fahren mehrmals im Jahr für ein verlängertes Wochenende in den Garten, im Sommer mehrere Wochen am Stück, ganz ohne Internet. Und jedes Frühjahr geht es für ein bis zwei Wochen auf unsere Lieblingsinsel Föhr. Zwischendrin besuchen wir, wann es nur geht, Freunde und Familie. Solche Auszeiten sind wichtig. Schön, dass Du wieder da bist.

    Liebe Grüße, Claudia

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Claudia, danke für Deinen Kommentar. Ja, draußen bin ich auch offline. Ich hatte bis Ende Juli die Facebook-, Xing- und Messenger-Apps auf dem iPhone und habe sie für die Auszeit gelöscht. Jetzt kommen sie da gar nicht wieder drauf. Es reicht, wenn ich über das Notebook ins Soziale Netzwerk gelange. Lieber den Dingen, die man tut und den Menschen, die man trifft, die volle Aufmerksamkeit schenken. Das haben sie verdient und das wünschen wir uns ja auch für uns selbst.

      Liebe Grüße
      Jo

      Löschen
  2. Wieder einmal gute Denkanstöße von dir, liebe Lise Lotte. Ich versuche wenigstens an einem Tag in der Woche das virtuelle Leben hinter mir zu lassen.
    Kreative Menschen sollten das sowieso öfter tun. Es gibt so viele Kraftquellen in der Natur oder Inspirationen, die man durch das Zusammensein mit lieben Menschen erhält. Während dieser ständige virtuelle Input ganz schön kraftraubend sein kann. Trotzdem ist das virtuelle Kontakthalten mir sehr wichtig, es ist eine Kommunikationsform unserer Zeit.
    Liebe Grüße
    Karin

    AntwortenLöschen

Danke, dass Du Dir die Zeit genommen hast, meinen Blog zu lesen. Ich freue mich über Deinen Kommentar.