Am Montagabend hatte Kater Frodo es sich auf seinem Lieblingsplatz gemütlich gemacht. Der befindet sich hoch oben auf dem Kleiderschrank, auf einem textilbespannten Reise-Trolly. Über das Bücherregal ist dieser, in Katers Augen sichere, Rückzugsort mit zwei Sprüngen erreichbar. Ich hatte es mir mit einem guten Buch im Bett gemütlich gemacht, als der Kater plötzlich seinen Platz verließ und zur falschen Seite hinabsprang. Er landete mitten im Schlafzimmer und hüpfte von dort direkt auf mein Bett. Das darf er nicht und das tut er sonst auch nicht. Also geleitete ich ihn mit ein paar liebevollen Worten aus dem Zimmer und las weiter.
Plötzlich hörte ich ein seltsames Geräusch, als wenn unten jemand an der Haustür rüttelte. Lauschte. Nichts. Ging zum Fenster und schaute hinaus. Niemand zu sehen. Also las ich weiter. Aber irgendwie war die Ruhe weg. Nach einer Viertelstunde legte ich das Buch beiseite und nahm das Handy.
Es war jetzt 21:30 Uhr. Eilmeldung, las ich. Und dass es um 21:14 Uhr in der Schweiz 🇨🇭 eines der stärksten Erdbeben der letzten zwölf Jahre gegeben hätte, dessen Wirkung in Süddeutschland bis nach Stuttgart zu spüren gewesen sei.
Nun wusste ich, was den Kater von seinem Ruheplatz vertrieben hatte und auch, woher das Rütteln an der Haustür kam. Hat von meinen Schweizer und süddeutschen Lesern jemand ebenfalls etwas von dem Beben bemerkt?
Hier schreibt "Liselotte". Was ihr in den Sinn kommt. Manches ist genau so passiert, Anderes nicht...
Mittwoch, 8. März 2017
Freitag, 10. Februar 2017
Offline ist das neue Freisein
In unserem Haus gibt es eine interessante Installation: Eine separate, zeitgesteuerte Sicherung, an der die Stromversorgung für WLAN-Router und damit verbundene Geräte hängt. Ergebnis: jede Nacht sind wir fünf Stunden absolut offline. Anfangs erschien mir diese Schaltung wie eine Beschneidung meiner Freiheit. Was, wenn ich mitten in der Nacht etwas googeln möchte? Oder jemandem eine E-Mail schreiben? Das wäre kein Problem, erklärte mein Liebster, die Sicherung lasse sich manuell mit einem einfachen Knopfdruck wieder einschalten.
Ich bin kein virtueller Mülleimer!
Inzwischen nutze ich diesen Knopf regelmäßig, allerdings in umgekehrter Richtung. Spätestens morgens um 9 Uhr, wenn meine Schreibzeit beginnt, gehe ich offline. Da wir hier in unserem Tal kein Handynetz haben, bin ich dann nur noch für Festnetztelefon, Postboten und Brieftauben erreichbar. Ein herrliches Gefühl! Die Gedanken bleiben dort, wo sie sein sollen - bei mir. Einzig mein Willen und meine Phantasie schicken sie auf die Reise, wohin ich möchte oder wohin ich mich treiben lasse. Unbeeinflusst von Werbung für Appartements in Toulouse oder skandinavische Winterleggings, in denen jede Frau einen Nilpferdpopo hat. Fotos vom Mittagessen virtueller Freunde erzeugen bei mir kein Hungergefühl ,und es bedarf keiner Schockbilder extremer Tierschützer, um dieses wieder zu vertreiben. Kein doppeltes blaues Häkchen suggeriert meinen Whatsapp-Kontakten, dass ich ihre Nachricht erhalten und gelesen habe, aber anscheinend zu beschäftigt, arrogant oder sauer bin, um darauf zu antworten. Und dann diese Filmchen! Lustige Tiervideos, grellbunte Naturbilder mit motivierenden Gedanken oder Sketche a la Ladykracher gehören noch zur harmlosen Sorte. Live Aufnahmen, z.B. aus der Helmkamera eines Motorradfahrers, der einen schweren Unfall hat, oder Schlimmeres will ich gar nicht sehen. Wenn ich mir vorstelle, dass in meinem Kopf genau 100 winzige Männchen die Gedanken hin und her schieben, in klemmenden Schubladen nach Erinnerungen kramen, diese mit meinen Erfahrungen und Gefühlen verknüpfen und daraus Geschichten weben ... dann ist es doch eine unglaubliche Verschwendung von Ressourcen, wenn 20, 30, 50 oder mehr von ihnen, anstatt kreativ zu sein, als Müllmänner agieren müssen. Mit großen Besen fegen sie die Horrorbilder aus meinen Gehirnwindungen, gleich mehrere von ihnen versuchen verzweifelt, die aufspringenden Schubladen meines Gedächtnisses zu schließen, in die sich gruselige Zitate despotischer Präsidenten, Werbung für das neueste Buch eines meiner 257 Autorenkollegen oder einhunderttausend niedlicher Katzenbilchen und -Videos quetschen wollen.
Aber wenn es stimmt?!
Die unsäglichen Kettenbriefe meiner Kindheit wurden dank Social Media wiederbelebt und werden meiner Erfahrung nach zu 99 % von Frauen über 40 weitergeleitet. »Wenn Du diese Nachricht nicht sofort an mindestens sieben Freunde weiter sendest, die genau so doof sind wie Du, wird sich entweder das Internet selbst zerstören oder Du darfst nie wieder Schokolade essen. Das stand sogar im Fernsehen!« Anfangs habe ich noch freundlich nachgefragt, warum mir A solchen Text schickte, nur um zu erfahren, dass sie ihn von B bekam, die es wissen müsse, schließlich habe diese die Nachricht von C bekommen. Muss ich erwähnen, dass natürlich B, C, D usw. mir alle denselben Text schickten? Sicher ist sicher, vielleicht stimmt es ja doch. Das mit dem Internet oder mit der Schokolade. Nicht auszudenken - daran will nun wirklich niemand schuld sein.
Man liked mich, also bin ich
Das Buhlen um Like-Daumen und Gefällt-mir-Angaben ist ein weiteres Phänomen und ich gebe zu, auch ich verfalle ihm von Zeit zu Zeit. Das überaus gelungene Naturfoto aus unsrem Tal, eine sehr witzige Begebenheit mit meinen Tieren oder eine Video-Botschaft, die mein Herz sooo berührt hat - all das sind Erlebnisse, die Emotionen in mir auslösen, so groß, dass ich sie hinausschreien, mit anderen teilen möchte. Schmälert es den Wert dieser Erlebnisse für mich, wenn nur eine Handvoll Leute auf Facebook »gefällt mir« drücken? Oder wird der besondere Augenblick noch besonderer, wenn hunderte Menschen ihn »liken«? Oder ist das Außergewöhnliche gerade deshalb so einzigartig, weil es mir allein gehört und ich diesen Moment nur mit ganz wenigen Menschen teile? Lob hat mich schon immer beflügelt. Es streichelt die Seele, gibt mir das Gefühl, ein guter, liebenswerter, wertvoller Mensch zu sein, der gerade etwas ziemlich richtig gemacht hat. Wenn ich mit mir selbst im Reinen bin, weiß ich, dass ich wertvoll bin, gute Dinge tue. Braucht es dann wirklich noch die »gefällt-mir-Daumen« von Max Mustermann und Olga Ohnemuster, denen ich beiden noch nie persönlich begegnet bin, um mich auch nur ein bisschen besser zu fühlen?
Es gab schon immer Alternativen
Kritiker werden sagen: Aber du vereinsamst doch, wenn du dich jetzt auch noch aus der virtuellen Welt zurückziehst! Vielleicht möchte ich einfach Alternativen suchen? Ich habe die erste Hälfte meines bisherigen Lebens offline verbracht und hatte keinen Grund, deswegen unglücklich zu sein. Statt auf Facebook durch Dutzende für mich uninteressante Beiträge zu scrollen, bis ich Susis tolles Foto entdecke und auf »gefällt mir« klicken kann, sage ich ihr lieber, wenn wir uns das nächste Mal sehen: »Du siehst toll aus heute.« Und statt zwanzig Nachrichten a la »Dieser niedliche Delphin wünscht dir einen schönen Mittwoch«, zu beantworten, schreibe ich lieber einen Brief oder eine hübsche Postkarte an jemanden, den ich lange nicht gesehen habe. In der Zeit, in der ich mich durch lustige, motivierende oder berührende Videos klicke, kann ich jemanden anrufen, den ich vermisse und fragen: »Hey, wie geht es dir?« Vielleicht erzählt mir dieser Mensch ja, was ihm Lustiges passiert ist, berührt mich mit seinen Worten, inspiriert mich zu neuen Zeilen?
Das alles klingt toll in der Theorie. Praktisch stehe ich aber mit vielen lieben Menschen fast ausschließlich online in Verbindung. Das ist zum Einen Grund, doch regelmäßig, wenn auch nicht mehr so oft, bei Facebook & Co. vorbeizuschauen. Und zum Anderen Motivation, meine offline Freundschaftspflege zu verstärken. Ich krame jetzt das Briefpapier heraus ...
© Jo Jansen 2017
Donnerstag, 1. Dezember 2016
Unsichtbar
Heute war ich unsichtbar in unserer Kreisstadt unterwegs. Zuerst übersah mich die Kellnerin im Café »Schön«, die mich sonst immer besonders freundlich begrüßt hatte. Auch die Verkäuferin in der Drogerie Müller schien durch mich hindurch zu schauen, obwohl sie bei früheren Begegnungen immer ein paar nette Worte mit mir gewechselt hatte. Weiter ging es am Bus. Dort traf ich die alte Dame mit dem wunderschönen Garten aus dem Nachbardorf und die Katzenfrau aus Beuron. Kurz glaubte ich, beide erwiderten meinen Gruß mit einem stummen Nicken. Oder nickten sie sich nur gegenseitig zu? Das sonst übliche Gespräch über dies und das blieb jedenfalls aus.
Hatte ich etwa eine Tarnkappe auf? Sonnenbrille und Gangsterhut? Oder gar eine Burka angezogen, dass sie mich nicht erkannten? Nein, ich hatte nur ausnahmsweise meinen Hund nicht dabei!
Donnerstag, 17. November 2016
Ausgeträumt
Kennt Ihr das: Ihr träumt etwas, und fast noch wichtiger als das, was dort geschieht, ist das Gefühl, das Ihr im Traum habt? Das kann Angst, Zweifel, aber auch Glück oder Wohlbefinden sein. Mein letzter Traum war sehr realistisch, sowohl was das Fühlen, als auch die Handlung anging. Es war Sommer. Herrlich! Im November träume ich gern vom Sommer. Meine Kinder und Mr J. waren bei mir, ich stand draußen auf der Terrasse an einem Herd, den es außerhalb meiner Träume nicht gibt. Kater Frodo strich mir um die Beine. Die Stimmung war leicht und fröhlich. Auf dem Herd stand ein riesiger Topf von mindestens 60 Zentimeter Durchmesser. In diesem Topf rührte ich das, was da kochte. Es war ein schwarz-weiß gefleckter Kater, meinem Frodo sehr ähnlich. Doch völlig ungerührt rührte ich weiter. Der Kater im Topf sollte das Essen für meine Familie sein. Was war den schon dabei? Es war doch nicht mein Kater, denn der strich mir ja putzmunter um die Beine ...
Ich erwachte und fühlte mich richtig schlecht. Wie kann man nur ..., dachte ich. Und überlegte. Wo ist die Grenze, die entscheidet, welches Tier wir lieben und welches wir essen? Natürlich würde niemand aus meiner Familie je Kater essen. Weder den eigenen noch einen fremden. Aber kann man ein Huhn nicht genau so gern haben wie einen Kater? Freut sich ein Ferkel nicht ebenso wie ein Kater, wenn ihm die Sonne den Bauch wärmt? Wenn das Ferkel denn überhaupt jemals die Sonne sieht. Wer hat uns Menschen zum Richter über Leben und Tod anderer fühlender Wesen erhoben, nach dem Motto "Die Süßen ins Körbchen, die Leckeren ins Töpfchen?"
Natürlich ist es einfach, ein Schnitzel zu braten. Das ist ja nur ein totes Stück Fleisch, ohne Gesicht, ohne Augen, die Dich anschauen. Was wäre, wenn wir jedes Tier, das wir essen wollen, zuvor eigenhändig töten müssten? Nicht dem geliebten Kater, aber einem zuckersüß dreinschauenden Ferkel mit dem Messer die Kehle durchschneiden. Uns mit seinem Blut besudeln. Würde uns das Fleisch dann noch schmecken?
Ich erwachte und fühlte mich richtig schlecht. Wie kann man nur ..., dachte ich. Und überlegte. Wo ist die Grenze, die entscheidet, welches Tier wir lieben und welches wir essen? Natürlich würde niemand aus meiner Familie je Kater essen. Weder den eigenen noch einen fremden. Aber kann man ein Huhn nicht genau so gern haben wie einen Kater? Freut sich ein Ferkel nicht ebenso wie ein Kater, wenn ihm die Sonne den Bauch wärmt? Wenn das Ferkel denn überhaupt jemals die Sonne sieht. Wer hat uns Menschen zum Richter über Leben und Tod anderer fühlender Wesen erhoben, nach dem Motto "Die Süßen ins Körbchen, die Leckeren ins Töpfchen?"
Natürlich ist es einfach, ein Schnitzel zu braten. Das ist ja nur ein totes Stück Fleisch, ohne Gesicht, ohne Augen, die Dich anschauen. Was wäre, wenn wir jedes Tier, das wir essen wollen, zuvor eigenhändig töten müssten? Nicht dem geliebten Kater, aber einem zuckersüß dreinschauenden Ferkel mit dem Messer die Kehle durchschneiden. Uns mit seinem Blut besudeln. Würde uns das Fleisch dann noch schmecken?
Sonntag, 9. Oktober 2016
Schild-Bürgerstreich
Es war einmal auf einem Wanderparkplatz ... ein sehr übersichtliches Schild mit einer Wanderkarte der Rundwege, die man von hier aus erwandern kann. Dann kam kein Wanderer des Wegs, sondern ein Verschlimmbesserer. Über die schöne, übersichtliche Wanderkarte wurde dieses Schild geschraubt. Es ist kleiner, viel unübersichtlicher und zeigt einen Bereich in der weiteren Umgebung, der viel mehr als die aufgelisteten Rundwege enthält. Schade. Leider ist dieser Schild-Bürgerstreich kein Einzelfall, alle alten Wanderkarten wurden auf diese Weise teilüberdeckt. Schade. Das Geld hätte man lieber in die fehlenden öffentlichen Müllkörbe investieren sollen, von denen es in unserer Gemeinde genau ZWEI Stück gibt. Begründung: Wenn man mehr davon aufstellen würde, kämen Leute und würden ihren Hausmüll dort entsorgen. Wirklich? Jetzt kann man jedenfalls überall am Wegesrand und in der Natur sehen, was Wanderer und Radfahrer in unserem schönen Tal "verlieren".
Unter dem neuen Schild ist das alte noch teilweise zu erkennen.
Donnerstag, 29. September 2016
Linsen mit Spätzle
Anfang August sollten unsere Gäste aus Alaska die typisch schwäbische Küche kennenlernen. Nach einer Wanderung waren wir hungrig und durstig. Ein Lokal mit nettem Biergarten bot Maultaschen klassisch und vegetarisch, schwäbische Tapas und auch Linsen mit Spätzle und Saitenwürstchen an. Letzteres ist DAS schwäbische Nationalgericht. Nachdem ich mir die Wünsche von fünf Gästen gemerkt hatte, ging ich zur Selbstbedienungstheke und begann meine Bestellung vorzutragen:
"Zweimal Linsen mit Spätzle ..."
Weiter kam ich nicht, denn die Chefin unterbrach mich und teilte mir mit, dass unter der Woche die Küche von 15 bis 17 Uhr geschlossen sei. Der Koch müsse schließlich auch mal kochen. Zerknirscht bemühte ich mich um Verständnis. Die weit gereisten Gäste vertrieben sich die eineinhalb Stunden Wartezeit mit einer Partie Minigolf und bekamen wenigstens schon Getränke gegen den großen Durst. Punkt 17 Uhr stand ich wieder an der Theke und begann hoffnungsvoll:
"Zweimal Linsen mit Spätzle ..."
"Linsen sind heut nicht!", unterbrach mich die Chefin schon wieder.
Ich biss mir auf die Zunge, um ihr nicht voller Enttäuschung ins Gesicht zu schreien: Und warum haben Sie das nicht vor eineinhalb Stunden schon gesagt? Stattdessen machte ich kehrt und nach kurzer Rücksprache mit unseren Gästen fuhren wir zu unserem Lieblingsgriechen. Das Essen dort ist zumindest auch europäisch.
Heute nun, der Herbst hat sich noch einmal ein Sommerkleid übergezogen, radelte ich mit Rika an der Donau entlang. Spontan bekam ich Appetit auf Linsen mit Spätzle. Ja, ich esse ganz selten auch noch nicht-vegan. Der Geist ist willig, aber das Fleisch macht ihn schwach, oder so ähnlich. Gleiche Theke, gleiche Dame, weit vor 15 Uhr:
"Einmal Linsen mit Spätzle ..."
"Oh, die kochen noch."
"Das macht nichts, dann warte ich im Biergarten."
Hochgezogene Augenbrauen. "Der kocht die fürs Wochenende."
Das wurde also wieder nichts.
Auf dem Heimweg überlegte ich. Heute (Donnerstag) Linsen kochen für das lange Wochenende, einschließlich Montag, den 3. Oktober?
Zuhause habe ich mir vegane Linsen mit Spätzle zubereitet: mit Glasnudeln statt Spätzle und veganen Wienerle - Wortschöpfung von Markus: Vegienerle. War in einer halben Stunde fertig und hat super geschmeckt. Es gibt immer Alternativen und manchmal sind sie sogar besser als der ursprüngliche Plan!
Zugegeben, es sieht ein wenig anders aus, als die klassische Variante. Ist aber mindestens so lecker. Das Original-Rezept, das von mir vegan abgewandelt wurde, findet Ihr hier bei Chefkoch.de:
Schwäbische Linsen mit Spätzle und Saitenwürstchen
Habt Ihr Lust bekommen, das Rezept nachzukochen? Und wenn ja, welche Variante? Klassisch oder vegan?
"Zweimal Linsen mit Spätzle ..."
Weiter kam ich nicht, denn die Chefin unterbrach mich und teilte mir mit, dass unter der Woche die Küche von 15 bis 17 Uhr geschlossen sei. Der Koch müsse schließlich auch mal kochen. Zerknirscht bemühte ich mich um Verständnis. Die weit gereisten Gäste vertrieben sich die eineinhalb Stunden Wartezeit mit einer Partie Minigolf und bekamen wenigstens schon Getränke gegen den großen Durst. Punkt 17 Uhr stand ich wieder an der Theke und begann hoffnungsvoll:
"Zweimal Linsen mit Spätzle ..."
"Linsen sind heut nicht!", unterbrach mich die Chefin schon wieder.
Ich biss mir auf die Zunge, um ihr nicht voller Enttäuschung ins Gesicht zu schreien: Und warum haben Sie das nicht vor eineinhalb Stunden schon gesagt? Stattdessen machte ich kehrt und nach kurzer Rücksprache mit unseren Gästen fuhren wir zu unserem Lieblingsgriechen. Das Essen dort ist zumindest auch europäisch.
Heute nun, der Herbst hat sich noch einmal ein Sommerkleid übergezogen, radelte ich mit Rika an der Donau entlang. Spontan bekam ich Appetit auf Linsen mit Spätzle. Ja, ich esse ganz selten auch noch nicht-vegan. Der Geist ist willig, aber das Fleisch macht ihn schwach, oder so ähnlich. Gleiche Theke, gleiche Dame, weit vor 15 Uhr:
"Einmal Linsen mit Spätzle ..."
"Oh, die kochen noch."
"Das macht nichts, dann warte ich im Biergarten."
Hochgezogene Augenbrauen. "Der kocht die fürs Wochenende."
Das wurde also wieder nichts.
Auf dem Heimweg überlegte ich. Heute (Donnerstag) Linsen kochen für das lange Wochenende, einschließlich Montag, den 3. Oktober?
Zuhause habe ich mir vegane Linsen mit Spätzle zubereitet: mit Glasnudeln statt Spätzle und veganen Wienerle - Wortschöpfung von Markus: Vegienerle. War in einer halben Stunde fertig und hat super geschmeckt. Es gibt immer Alternativen und manchmal sind sie sogar besser als der ursprüngliche Plan!
Zugegeben, es sieht ein wenig anders aus, als die klassische Variante. Ist aber mindestens so lecker. Das Original-Rezept, das von mir vegan abgewandelt wurde, findet Ihr hier bei Chefkoch.de:
Schwäbische Linsen mit Spätzle und Saitenwürstchen
Habt Ihr Lust bekommen, das Rezept nachzukochen? Und wenn ja, welche Variante? Klassisch oder vegan?
Dienstag, 27. September 2016
Weniger ist mehr
Jeder Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Der ist selten gewaltig, meist eher unscheinbar, zaghaft. Vor allem, wenn man einfach losläuft und schaut, wohin die Reise geht. Wer hier regelmäßig mitliest, durfte mein erstes Verzicht-Experiment mitverfolgen. Von Vier Wochen ohne ... bis No-Pooh, ja und nun? Ohne Shampoo fühle ich mich auch heute, nach fast 5 Monaten, immer noch sehr wohl. Parallel dazu probierte ich die Vielfalt der veganen Ernährung. Kein Witz - man kann auch ohne tierische Produkte richtig lecker essen. Vor allem, wenn man Vieles frisch zubereitet und auf vegane Grillwürstchen & Co. verzichtet. Dann kam der Geldbeutel dran. Für die Norddeutschen: das Portemonnaie. Von einem "Gerät" in Taschenbuchgröße mit zwei Kleingeldfächern stieg ich um auf den i-clip. Ursprünglich als Ersatz für die "Hilfsportemonaies" meiner Söhne gedacht, die aber lieber bei ihren Provisorien bleiben wollten, landete das gute Stück bei mir. Es passt in jede noch so kleine Handtasche, nimmt auch beim Mountainbikefahren kaum Platz weg und wiegt fast nichts. Ich bin begeistert! Weniger ist mehr, oder
"Arm ist nicht der, der wenig hat, sondern der, der nicht genug kriegen kann!"
(Jean Guéhenno)
Falls jetzt jemand fragt: "Wohin mit dem Kleingeld?", so darf dieses bei mir in allen Taschen fröhlich herumklimpern und wird bei kleinen Beträgen immer als Erstes ausgegeben. Aber es ging weiter. Loslassen kann eine Eigendynamik entwickeln. Plötzlich wertschätzt Du die Dinge, die Du wirklich magst. Meine Kinder kamen auf Besuch, alte Schulfreundinnen ebenfalls. Bud und Veca, die liebevollen Gasteltern von Erik, reisten aus Alaska ins Donautal an. Ganz ehrlich - wer solche Gäste hat, nimmt sich Zeit für sie und lässt die virtuellen Freunde ein bisschen außen vor. So war bei mir der 1. August 2016 der Beginn einer Auszeit von Facebook, Xing, Twitter, Stay Friends ... Und, auch wenn das jetzt hart klingt, ich habe fast Nichts und Niemanden vermisst. Im Gegenteil, es war eine Befreiung, nicht mehr jeden Pups von mehreren hundert virtuellen Freunden mitzubekommen, von denen ich wohl nur jeden Zehnten persönlich kenne. Wer mir wichtig war, den konnte ich auf anderem Wege kontaktieren - WhatsApp, E-Mail, Telefon und selbst die gute alte Postkarte kamen zum Einsatz. Auch wenn die Post ein paar der Karten anscheinend verschlampt hat. Während dieser Zeit war ich im Freibad, am Bodensee, habe mitgeholfen, unser Gästebad umzubauen, bei realen Freunden Wände gespachtelt usw. Und tatsächlich gab es eine Handvoll lieber virtueller Freunde, die mich vermissten. Danke, darüber habe ich mich ganz besonders gefreut. Wiebke, Karin, Sophie, Claudia, Nicole, Jenny, Kirstin, ... Inzwischen schaue ich wieder ab und zu bei Facebook herein, aber es übt nicht mehr die magische "ich-könnte-etwas-verpassen-Anziehungskraft" auf mich aus. Ich habe nämlich NICHTS verpasst, in den gut 6 Wochen, die aus dem geplanten einen Monat wurden.
Und nun? Loslassen könnte ein neues Hobby von mir werden. Potential schlummert noch genug in unserem Haus. Kleiderschrank, Bastelkisten, "Könnte-man-noch-mal-gebrauchen-Dinge". Heute habe ich das große Bücherregal von Ballast befreit. Reiseführer, die älter sind als meine Kinder, führen eher in die Irre, als ans Ziel. Und angeschnittenes Buntpapier "Made in GDR" gehört entweder in den Papierkorb oder ins Museum.
Wie geht es Euch, wenn Ihr das hier lest? Könnt Ihr loslassen oder redet Ihr Euch mit der Prägung aus Elternhaus, Kindheit, DDR heraus, wie ich es bisher tat? Was könnt Ihr gut loslassen und was gar nicht?
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