Donnerstag, 7. Dezember 2017

Umgekehrter Adventskalender

Hier das versprochene Foto meines umgekehrten Adventskalenders. Wie Ihr seht, füllt er sich langsam. Das Gefühl ist mindestens so gut, wie beim normalen Adventskalender, aus dem ich sonst etwas nehmen durfte, statt etwas hineinzutun. Am Morgen stehe ich voller Vorfreude auf und schaue, was dieses Mal mit in die Kiste darf. Okay, ich gebe zu, ich habe beim letzten Einkauf bewusst auch an diese Kiste gedacht und manche Dinge in weiser Voraussicht eingekauft. 😉 Am Ende zählt doch, dass die Kiste voll ist und anderen Menschen hilft. 🎁




Mittwoch, 6. Dezember 2017

Wie sieht Eure Weihnachtspost aus?

Zu Weihnachten hat die Post mehr zu tun, als zu jeder anderen Zeit im Jahr. Fast jeder versendet Weihnachtsgrüße. Mich interessiert, welcher Weihnachtspost-Typ Ihr seid und worüber Ihr Euch besonders freut oder auch nicht. 
Mir fallen spontan 7 Kategorien ein:

1. Die Pflichterlediger - »Herzliche Weihnachtsgrüße senden Euch die vier  Mustermanns.« Dieses Sprüchlein wird brav auf genau so viele bunte Karten geschrieben, wie es Menschen gibt, denen man sich verpflichtet fühlt, zu schreiben. Mehr nicht. Reicht doch, oder? Den Rest des Jahres über hat man sich ja auch nichts zu schreiben. 

2. Die Optimierer - Wenn schon schreiben, dann so rationell wie möglich. Ein mit dem Computer geschriebener und x-fach ausgedruckter Rundbrief berichtet über alles, was im letzten Jahr Wichtiges passiert ist. Von Juniors Seepferdchen bis zu Tante Marthas dreiwöchigem Besuch. Kommt besonders gut an, wenn man ihn mit Fotos von eigenen Errungenschaften, wie dem neuen Auto, einem Urlaub in New York oder wenigstens dem glänzenden Weber-Gartengrill krönt. Wichtig: Bitte nie weniger als drei eng beschriebene Seiten! Der Empfänger soll beim Lesen ruhig ein schlechtes Gewissen bekommen, dass Du Dir extra für ihn so viel Arbeit gemacht hast. 

3. Die Versprecher - Hier werden nicht nur Weihnachtsgrüße versendet, sondern diese mit einem Versprechen fürs neue Jahr verknüpft. »Aber 2018 besuchen wir Euch endlich mal.« Oder »Nächstes Jahr lass mal zusammen Picknick machen.« Heb Dir solche Karten gut auf. Am besten legst Du sie zu denen vom letzten, vorletzten und vorvorletzten Jahr, deren Versprechen ebenfalls noch auf Erfüllung warten. 

4. Die Aufmerksamen - Diese Menschen haben einen Blick für die kleinen Dinge. Sie schreiben Dir eine Weihnachtskarte mit einem kleinen Hund vorne drauf, der fast so aussieht, wie Deiner. Oder mit einem bärtigen Weihnachtsmann, der verblüffende Ähnlichkeit mit Deinem Mann hat. Vielleicht ist die Karte sogar selbstgebastelt? Dazu kommen entweder ein paar liebe Zeilen über gemeinsame Erlebnisse »Weißt Du noch, im Sommer ... ?« oder eine Beschreibung dessen, was man an Weihnachten vorhat, immer verbunden mit lieben Wünschen für Dich und Deine Familie. 

5. Die Erbsenzähler - Die Weihnachtskarten liegen schon seit Mitte November bereit, denn da waren sie günstig im Angebot. Für jede Weihnachtskarte, die ins Haus trudelt, wird eine an den jeweiligen Absender zurückgeschrieben. Wer nichts schickt, kriegt auch nichts. Und wenn eine Karte erst am 24.12. beim Erbsenzähler ankommt? Dann wird trotzdem noch geschrieben und oben rechts in der Ecke der Karte deutlich sichtbar das Datum »Musterstadt, den 21.12.« hingesetzt. Soll der Empfänger doch auf die Schneckenpost schimpfen. Der Erbsenzähler hat alles richtig gemacht und niemanden vergessen, der Weihnachtsgrüße verdient hat.  

6. Die Auf-den-letzten-Drücker-Schreiber - Sie denken: Waaaas?! Heute ist schon der 24. Dezember? Und ich habe noch keine Weihnachtskarte geschrieben? Na ja, ein SMS oder What’sApp tuts auch. Am besten dekoriert mit so einem lustigen Video. Wundere Dich nicht, wenn Du manches Video mehrfach gesendet bekommst. Es gibt einfach zu viele Menschen, die nie Zeit haben und in diese Kategorie fallen. 

7. Die Seltenen - Sie schreiben keine Weihnachtskarten, sondern -Briefe. Auf schönem Briefpapier und mit der Hand. Erzählen Dir, was sie bewegt, gehen auf Dein Leben ein, berühren Dein Herz. Das kann nicht jeder. Solche Briefe sind selten geworden. Wenn Du einen erhältst, darfst Du Dich glücklich schätzen. 

Ich möchte Niemandem zu nahe treten, der sich in der einen oder anderen Kategorie oder in einer Mischform wiedererkannt hat. Aber vielleicht gilt ja auch bei den Weihnachtsgrüßen: Weniger ist mehr. Weg von der selbst auferlegten Pflicht, ALLEN schreiben zu müssen. Stattdessen ein paar wenige Grüße an Menschen senden, die uns wirklich am Herzen liegen. Das fällt schwer, ich weiß. 
Nun bin ich ganz gespannt auf Eure Meinungen und Erfahrungen. 


Freitag, 24. November 2017

Mein Adventskalender 2017

Heute bin ich auf Facebook über dieses Foto gestolpert: 
            ©SpiegelDich

Ich war spontan begeistert, denn ich hatte vorher schon überlegt, dass ein normaler Adventskalender für mich nicht passt - Naschen mag ich nicht, und andere Dinge brauch ich nicht. Überhaupt stört mich dieser Adventskalender-Wahn, der völlig am Thema vorbeigeht. Da gibt es Adventskalender mit teurem Spielzeug, Parfüm für -zig Euro, und selbst für Hund und Katz. Meine Meinung: tolle Idee, dem Konsumrausch etwas entgegenzusetzen. Geben statt Nehmen. Dann las ich Kommentare anderer, mir bisher durchaus sympathischer Menschen:
  • Es stünde nicht dabei, wo die Sachspenden hinsollten. Hallo? Ich kann selbst einen Telefonhörer in die Hand nehmen. Die Caritas hier vor Ort freut sich jetzt schon, und nicht nur zu Weihnachten, auf meine Sachspende. 
  • Der Threadersteller würde nur seine eigenen Seite pushen wollen und hätte deshalb ein Thema aufgegriffen, dass ihm viele Klicks beschert.  - Na und? Wer tolle Ideen hat, soll damit auch viele Menschen erreichen. 
  • Und überhaupt, vor Weihnachten würden alle um Geld betteln, allein deshalb würde man sich verweigern. - Ähm, hier bettelt niemand um Geld, es bleibt der Initiative jedes Einzelnen überlassen, wo er seine Sachspenden abgibt. z.B. würde sich auch ein Tierheim freuen ... Und jedem steht es frei, das ganze Jahr aktiv über zu unterstützen.
  • Von dem Geld kommt ja eh nur ein Bruchteil bei den Bedürftigen an. - Geld? Wir reden von Dosensuppe, Zahnpasta, Shampoo usw. Was alle Menschen zum Leben benötigen, aber nicht alle Menschen haben. 
  • Und anderswo (Rewe) wäre ja total ungesundes Zeug in den Spendentüten. Ja toll, dann kannst DU es hier besser machen. 
Ich verstehe echt nicht, warum immer dagegen argumentiert werden muss. Und dann noch so blöd und gar nicht zur Ausgangssituation passend. Was steckt dahinter? Das eigene Schuldbewusstsein, nicht selbst darauf gekommen zu sein? Die eigene Bequemlichkeit und daher Suche nach Ausreden, um bloß nicht aktiv zu werden? Wie soll die Welt denn besser werden, wenn wir immer nur erwarten, dass Andere etwas tun? 
Mein Adventskalender wird nächste Woche gebastelt - eine große, hübsche, leere Kiste, in die ich dann jeden Tag etwas hineinlegen werde. Ich freu mich drauf. Und werde Euch, mit Fotos, auf dem Laufenden halten. 

Dienstag, 1. August 2017

Sendepause

Liebe Leser, wie im letzten Jahr möchte ich den Monat August virtuell ruhiger angehen. Das heißt, dass ich mich ab heute für mindestens* 31 Tage aus Facebook, XING, Twitter & Co. verabschiede. Es gibt auch Leben außerhalb dieser Netzwerke und das möchte ich bewusst genießen. Die imaginäre Scheinwelt, bestehend aus Videos, Fotos, Postings und Kommentaren, gibt mir zwar das Gefühl, überall dabei zu sein, aber will ich das wirklich? Ist es für mich lebensnotwendig zu wissen, wie die Pizza aussah, die A gegessen, warum B ihren Freund verlassen oder dass C auf dem Klo die Idee für einen Bestseller hat? 


Niedliche Katzenfotos- und Videos zaubern mir kurzzeitig ein Lächeln ins Gesicht, sind aber genauso schnell wieder vergessen oder werden von Schockfotos zum Thema Massentierhaltung verdrängt. Meine eigenen Katzen schnurren, wenn ich sie in den Arm nehme und streichele. Sie wärmen mein Herz und wir tun uns gegenseitig gut mit unserer Liebe. 


Der heutige Tag wird in der Schweiz Bundesfeiertag genannt und beginnt in vielen Orten bereits am Vorabend mit Musik, Tanz und Feuerwerk. Am vergangenen Wochenende hatten wir zwar kein Feuerwerk, aber ebenfalls ein sehr schönes Fest, mit viel Sonne, lieben Menschen und sieben Hunden. Das sind Erlebnisse, die im Herzen bleiben. Oder das Baden in der Donau, der Duft der Hecke von Nachbars Garten, ein Spielabend mit lieben Freunden. 

Vielleicht werdet Ihr auch im August hier im Blog den einen oder anderen Beitrag von mir lesen können. Denn schreiben ist mir ein Bedürfnis, darauf freue ich mich. 

Genießt den Sommer und das Leben! 
Liebe Grüße
Eure Jo


*mindestens 31 heißt, dass mit die virtuelle Auszeit 2016 so gut gefiel, dass ich freiwillig bis Mitte September verlängerte. Lassen wir uns überraschen, wie es 2017 wird.

Montag, 24. Juli 2017

Ich mag es nicht mehr hören / lesen

"Wann wird es mal wieder richtig Sommer?" 
"Schon wieder Regen."
"Es ist zu heiß / kalt / nass / trocken für die Jahreszeit." (Eins davon passt immer.)
"DAS ist der Klimawandel."
"Wir werden alle sterben." 
Regenbogen überm Nachbarhaus

Zumindest der letzte Satz stimmt. Aber ansonsten beruhigt Euch, der Rest ist nur Wetter. Das gab es schon, bevor wir auf die Welt kamen und auch, als wir kleine Kinder waren. Und zwar ziemlich genau so wie jetzt. Ich erinnere mich an krachende Gewitter, einen vom Regen vollgelaufenen Keller, aber auch an vor Trockenheit betonharte Gartenerde zu Zeiten, als das Wort Klimawandel noch nicht wie ein böser Geist herbeibeschworen wurde, kaum dass aus dem Hoch- ein Tiefdruckgebiet wurde oder umgekehrt. 
"Der Sommer ist in Deutschland die regenreichste Jahreszeit". Das lernten wir schon in der Schule. Ich weiß das noch, der Sommer ebenso, aber außer uns beiden anscheinend kaum jemand. 


Niedrigwasser in der Donau. Die Blumen blühen trotzdem.

Vielleicht hat dieses permanente übers-Wetter-Jammern aber auch andere, tiefere Ursachen. Wir leben in einer Zeit, in der wir fast alle Bereiche unseres Lebens beeinflussen und beherrschen. Mit dem Terminkalender zerhacken wir unsere Lebenszeit in überschaubare, planbare Stückchen. Schule, Job, Freizeitverein, Date mit der Freundin, alles zu seiner Zeit. Wir haben die Sachen im Griff, auch wenn es manchmal eng wird. Keine Zeit mehr übrig für den Einkauf? Kein Problem. Was wir heute online bestellen, bringt uns  morgen schon der Paketbote an die Tür. Filme, die wir schauen möchten, Bücher, die wir lesen wollen, das neueste Album der Lieblingsband ... alles per Knopfdruck sofort online verfügbar. Wir fühlen uns wie die Herrscher in unserer kleinen Welt. 

Doch dann ... macht das Wetter uns einen Strich durch die Rechnung. Das Blumenbouquet im Expresspaket wurde vor der Haustür der Freundin von der Sonne zum Trockenstrauß geröstet. Der spannende Film lässt sich nicht laden, weil eine Regenfront die Verbindung zum Satelliten blockiert. Und die seit Wochen geplante Kanutour auf der Donau fällt buchstäblich ins Niedrigwasser. Diese Ohnmacht, einen Bereich unseres Lebens nicht zu beherrschen, macht uns wütend. Warum versuchen wir nicht, das Beste daraus zu machen? Es regnet? Super, der Garten ist schon mal gegossen! Blitze zucken am Himmel? Wer es schafft, einen davon mit dem Smartphone auf einem Foto festzuhalten, bekommt ein Eis. Der Keller ist tatsächlich voll Wasser gelaufen? Zeit, dort unten endlich mal aufzuräumen und auszumisten. Wertvolle Besitztümer wie Bücher, Gemälde o.ä. gehören meiner Meinung nach sowieso nie, nie, nie in den Keller. Meine Oma lagerte dort früher Kartoffeln und Eingewecktes. Wir sammeln heute in unseren Kellern die Fehl- und Frustkäufe der Vergangenheit, in der Hoffnung, dass wir sie eines Tages hervorholen und einer sinnvollen Verwendung zuführen können. Oder die Erinnerungen an längst vergangene Zeiten. Nicht gut genug, sie tagtäglich im Blick haben zu wollen. Nicht schlecht genug, sie auf den Müll zu werfen. Wenn das Wetter uns diese jahrelang aufgeschobene Entscheidung abnimmt, sollten wir ihm nicht zürnen, sondern dankbar sein. 

Natürlich gibt es auch in unserem Land Naturkatastrophen wie die Oderflut vor 20 Jahren oder den Tornado über Bützow im Frühjahr 2015. Die Ursachen hierfür sind zumindest zum Teil menschengemacht, z.B. wenn Flüsse begradigt wurden. Das Wetter können wir (noch) nicht oder fast nicht beeinflussen. Das sollte uns mit Dankbarkeit und Glück, statt mit Frust erfüllen. Nicht auszudenken, wenn auch  in diesem Bereich unseres Lebens der "freie Markt" regieren würde. 

P.S. Mit Gummistiefeln durch Pfützen patschen hilft gegen Regenfrust. Garantiert! 

Dienstag, 14. März 2017

Für Euch: Meine neue Website

In den letzten Wochen habe ich gebastelt, geschliffen und ausprobiert. Nun ist sie vorzeigbar, meine neue Website. Dort erfahrt Ihr Neuigkeiten aus der Schreibstube, private Details aus dem Leben einer Schriftstellerin, findet Links zu meinen neuesten Blogbeiträgen und könnt meine Taschenbücher, auf Wunsch sogar handsigniert, in meinem Online-Shop kaufen. 

Damit Euch das Anschauen und Stöbern noch mehr Spaß macht, gibt es zum Kennenlernen ein Gewinnspiel, bei dem ich tolle Preise verlose. Folgt der Fährte Rikas, der Mörder jagenden Schnüffelnase und beweist, dass Ihr ebenso gute Spurensucher seid wie sie. 
Viel Spaß und viel Glück wünschen Rika und Jo.



Mittwoch, 8. März 2017

Zeichen deuten

Am Montagabend hatte Kater Frodo es sich auf seinem Lieblingsplatz gemütlich gemacht. Der befindet sich hoch oben auf dem Kleiderschrank, auf einem textilbespannten Reise-Trolly. Über das Bücherregal ist dieser, in Katers Augen sichere, Rückzugsort mit zwei Sprüngen erreichbar. Ich hatte es mir mit einem guten Buch im Bett gemütlich gemacht, als der Kater plötzlich seinen Platz verließ und zur falschen Seite hinabsprang. Er landete mitten im Schlafzimmer und hüpfte von dort direkt auf mein Bett. Das darf er nicht und das tut er sonst auch nicht. Also geleitete ich ihn mit ein paar liebevollen Worten aus dem Zimmer und las weiter. 

Plötzlich hörte ich ein seltsames Geräusch, als wenn unten jemand an der Haustür rüttelte. Lauschte. Nichts. Ging zum Fenster und schaute hinaus. Niemand zu sehen. Also las ich weiter. Aber irgendwie war die Ruhe weg. Nach einer Viertelstunde legte ich das Buch beiseite und nahm das Handy. 

Es war jetzt 21:30 Uhr. Eilmeldung, las ich. Und dass es um 21:14 Uhr in der Schweiz 🇨🇭 eines der stärksten Erdbeben der letzten zwölf Jahre gegeben hätte, dessen Wirkung in Süddeutschland bis nach Stuttgart zu spüren gewesen sei. 

Nun wusste ich, was den Kater von seinem Ruheplatz vertrieben hatte und auch, woher das Rütteln an der Haustür kam. Hat von meinen Schweizer und süddeutschen Lesern jemand ebenfalls etwas von dem Beben bemerkt? 




Freitag, 10. Februar 2017

Offline ist das neue Freisein

In unserem Haus gibt es eine interessante Installation: Eine separate, zeitgesteuerte Sicherung, an der die Stromversorgung für WLAN-Router und damit verbundene Geräte hängt. Ergebnis: jede Nacht sind wir fünf Stunden absolut offline. Anfangs erschien mir diese Schaltung wie eine Beschneidung meiner Freiheit. Was, wenn ich mitten in der Nacht etwas googeln möchte? Oder jemandem eine E-Mail schreiben? Das wäre kein Problem, erklärte mein Liebster, die Sicherung lasse sich manuell mit einem einfachen Knopfdruck wieder einschalten. 

Ich bin kein virtueller Mülleimer!
Inzwischen nutze ich diesen Knopf regelmäßig, allerdings in umgekehrter Richtung. Spätestens morgens um 9 Uhr, wenn meine Schreibzeit beginnt, gehe ich offline. Da wir hier in unserem Tal kein Handynetz haben, bin ich dann nur noch für Festnetztelefon, Postboten und Brieftauben erreichbar. Ein herrliches Gefühl! Die Gedanken bleiben dort, wo sie sein sollen - bei mir. Einzig mein Willen und meine Phantasie schicken sie auf die Reise, wohin ich möchte oder wohin ich mich treiben lasse. Unbeeinflusst von Werbung für Appartements in Toulouse oder skandinavische Winterleggings, in denen jede Frau einen Nilpferdpopo hat. Fotos vom Mittagessen virtueller Freunde erzeugen bei mir kein Hungergefühl ,und es bedarf keiner Schockbilder extremer Tierschützer, um dieses wieder zu vertreiben. Kein doppeltes blaues Häkchen suggeriert meinen Whatsapp-Kontakten, dass ich ihre Nachricht erhalten und gelesen habe, aber anscheinend zu beschäftigt, arrogant oder sauer bin, um darauf zu antworten. Und dann diese Filmchen! Lustige Tiervideos, grellbunte Naturbilder mit motivierenden Gedanken oder Sketche a la Ladykracher gehören noch zur harmlosen Sorte. Live Aufnahmen, z.B. aus der Helmkamera eines Motorradfahrers, der einen schweren Unfall hat, oder Schlimmeres will ich gar nicht sehen. Wenn ich mir vorstelle, dass in meinem Kopf genau 100 winzige Männchen die Gedanken hin und her schieben, in klemmenden Schubladen nach Erinnerungen kramen, diese mit meinen Erfahrungen und Gefühlen verknüpfen und daraus Geschichten weben ... dann ist es doch eine unglaubliche Verschwendung von Ressourcen, wenn 20, 30, 50 oder mehr von ihnen, anstatt kreativ zu sein, als Müllmänner agieren müssen. Mit großen Besen fegen sie die Horrorbilder aus meinen Gehirnwindungen, gleich mehrere von ihnen versuchen verzweifelt, die aufspringenden Schubladen meines Gedächtnisses zu schließen, in die sich gruselige Zitate despotischer Präsidenten, Werbung für das neueste Buch eines meiner 257 Autorenkollegen oder einhunderttausend niedlicher Katzenbilchen und -Videos quetschen wollen. 

Aber wenn es stimmt?! 
Die unsäglichen Kettenbriefe meiner Kindheit wurden dank Social Media wiederbelebt und werden meiner Erfahrung nach zu 99 % von Frauen über 40 weitergeleitet. »Wenn Du diese Nachricht nicht sofort an mindestens sieben Freunde weiter sendest, die genau so doof sind wie Du, wird sich entweder das Internet selbst zerstören oder Du darfst nie wieder Schokolade essen. Das stand sogar im Fernsehen!« Anfangs habe ich noch freundlich nachgefragt, warum mir A solchen Text schickte, nur um zu erfahren, dass sie ihn von B bekam, die es wissen müsse, schließlich habe diese die Nachricht von C bekommen. Muss ich erwähnen, dass natürlich B, C, D usw. mir alle denselben Text schickten? Sicher ist sicher, vielleicht stimmt es ja doch. Das mit dem Internet oder mit der Schokolade. Nicht auszudenken - daran will nun wirklich niemand schuld sein. 

Man liked mich, also bin ich
Das Buhlen um Like-Daumen und Gefällt-mir-Angaben ist ein weiteres Phänomen und ich gebe zu, auch ich verfalle ihm von Zeit zu Zeit. Das überaus gelungene Naturfoto aus unsrem Tal, eine sehr witzige Begebenheit mit meinen Tieren oder eine Video-Botschaft, die mein Herz sooo berührt hat - all das sind Erlebnisse, die Emotionen in mir auslösen, so groß, dass ich sie hinausschreien, mit anderen teilen möchte. Schmälert es den Wert dieser Erlebnisse für mich, wenn nur eine Handvoll Leute auf Facebook »gefällt mir« drücken? Oder wird der besondere Augenblick noch besonderer, wenn hunderte Menschen ihn »liken«? Oder ist das Außergewöhnliche gerade deshalb so einzigartig, weil es mir allein gehört und ich diesen Moment nur mit ganz wenigen Menschen teile? Lob hat mich schon immer beflügelt. Es streichelt die Seele, gibt mir das Gefühl, ein guter, liebenswerter, wertvoller Mensch zu sein, der gerade etwas ziemlich richtig gemacht hat. Wenn ich mit mir selbst im Reinen bin, weiß ich, dass ich wertvoll bin, gute Dinge tue. Braucht es dann wirklich noch die »gefällt-mir-Daumen« von Max Mustermann und Olga Ohnemuster, denen ich beiden noch nie persönlich begegnet bin, um mich auch nur ein bisschen besser zu fühlen?  

Es gab schon immer Alternativen
Kritiker werden sagen: Aber du vereinsamst doch, wenn du dich jetzt auch noch aus der virtuellen Welt zurückziehst! Vielleicht möchte ich einfach Alternativen suchen? Ich habe die erste Hälfte meines bisherigen Lebens offline verbracht und hatte keinen Grund, deswegen unglücklich zu sein. Statt auf Facebook durch Dutzende für mich uninteressante Beiträge zu scrollen, bis ich Susis tolles Foto entdecke und auf »gefällt mir« klicken kann, sage ich ihr lieber, wenn wir uns das nächste Mal sehen: »Du siehst toll aus heute.« Und statt zwanzig Nachrichten a la »Dieser niedliche Delphin wünscht dir einen schönen Mittwoch«, zu beantworten, schreibe ich lieber einen Brief oder eine hübsche Postkarte an jemanden, den ich lange nicht gesehen habe. In der Zeit, in der ich mich durch lustige, motivierende oder berührende Videos klicke, kann ich jemanden anrufen, den ich vermisse und fragen: »Hey, wie geht es dir?« Vielleicht erzählt mir dieser Mensch ja, was ihm Lustiges passiert ist, berührt mich mit seinen Worten, inspiriert mich zu neuen Zeilen?
Das alles klingt  toll in der Theorie. Praktisch stehe ich aber mit vielen lieben Menschen fast ausschließlich online in Verbindung. Das ist zum Einen Grund, doch regelmäßig, wenn auch nicht mehr so oft, bei Facebook & Co. vorbeizuschauen. Und zum Anderen Motivation, meine offline Freundschaftspflege zu verstärken. Ich krame jetzt das Briefpapier heraus ...
© Jo Jansen 2017