--> "Das Gutshotel" von Jo Jansen
Natürlich interessieren mich auch Eure Meinungen. Der Titel z.B. klingt mir noch nicht knackig genug ... Daher, für alle, denen neobooks zu umständlich ist, hier die komplette Geschichte in ihrer ersten Fassung.
2052
„Oma, noch mal die Spukgeschichte, bitte!“
Wer je in die
braunen Kulleraugen meiner beiden Enkelinnen gesehen hat, der wird
verstehen, dass ich ihnen fast keine Bitte abschlagen kann. Auch wenn
es mir, selbst nach so vielen Jahren, bei der Erinnerung an die
Ereignisse immer noch eiskalt den Rücken hinunterläuft. So rücke
ich mir das Samtkissen unter meiner linken Pobacke zurecht, damit ich
in meinem Lieblingssessel halbwegs gerade sitze, und schaue mit
wichtiger Miene über den Rand meiner Brille auf Caroline und Carmen
hinab, die es sich zu meinen Füßen auf dem Teppich bequem gemacht
haben und erwartungsvoll zu mir heraufblicken.
2013
Nach einem sehr
erfolgreichen Gespräch, das mit einem Vertragsabschluss endete, war
ich auf dem Heimweg, hatte jedoch keine Lust zur Kilometerjagd auf
der Autobahn. Stattdessen ließ ich mein Cabriolet mit offenem
Verdeck die Alleen entlangleiten, genoss den Blick auf Wiesen und
Wälder, und sah ab und zu einen See in der Sonne glitzern. All diese
Ruhe, dieses Spiel von Licht und Schatten, zogen mich so dermaßen in
ihren Bann, dass ich unmerklich immer langsamer wurde, gar nicht mehr
fort wollte von hier. Ein Hupen riss mich aus meinen Träumen –
ausgerechnet ein Traktor mit langem Anhänger, der hinter mir her
rumpelte und dessen Fahrer ich zu langsam fuhr. Im nächsten Moment
fiel mir ein kleines Schild an der rechts liegenden Abzweigung auf:
Gutshotel stand
dort in leuchtend grünen Buchstaben. War es Schicksal, dass ich
automatisch den Blinker betätigte und rechts abfuhr?
Eine doppelreihige Pappelallee führte schnurgerade auf ein Anwesen
zu. Es war ein erhabenes Gefühl, als führe ich durch den Säulengang
einer Kathedrale. Die Spätnachmittagssonne fiel zwischen den
schlanken Bäumen hindurch wie durch gotische Fenster und malte
flirrende Muster auf das Kopfsteinpflaster. Das schmiedeeiserne Tor
am Ende der Allee stand einladend offen und so knirschte kurz darauf
der Kies der Auffahrt unter den Reifen, während ich mein Auto
langsam auf das Gutshaus zurollen ließ. Es war ein imposantes
Gebäude, ganz aus Backstein erbaut, mit Türmchen, Erkern und
Balkonen, sowie einer großen, geschwungenen Freitreppe. Im
Hintergrund des gepflegten Gartens sprühte eine Fontäne. Alles
strahlte eine stille Eleganz und Ruhe aus und ich fühlte mich um
einhundert Jahre in der Zeit zurückversetzt. Direkt am Fuße der
Freitreppe ließ ich mein Auto zum Stehen kommen und blickte hinauf.
Die Treppe war von einer, ebenfalls aus Backstein errichteten, Mauer
eingefasst und bei genauerem Hinsehen erblickte ich an ihrem Rand
zwei winzige Hände und einen rotblonden Wuschelkopf.
„Hallo?!“,
rief ich, worauf die Hände und Kopf verschwanden und im nächsten
Moment ein etwa zehnjähriger Junge vor mir stand – mit ebendiesem
rotblonden Wuschelkopf, einem ehemals weißen T-Shirt und
zerschrammten Knien, die Hände tief in den Taschen der kurzen Hose
vergraben. Schräg über seine Brust lief der Riemen einer Art
Tasche, die hinter seinem Rücken verborgen blieb. Ich versuchte,
seinen aufgesetzt grimmigen Blick zu ignorieren und nicht sofort in
Lachen auszubrechen. Stattdessen sagte ich noch einmal:
„Hallo
ihr zwei!“, da der Besitzer der winzigen Hände immer noch im
Verborgenen blieb. Diese Ansprache überraschte meinen jungen Helden,
denn die Grimmigkeit in seinem Blick verschwand und, leicht
verunsichert, antwortete er:
„Aber
ich bin doch ganz allein.“
„Wer
bist du denn?“
„Ich
bin Robin, wie Robin Hood, und ich bin neun,
aber im Oktober werd' ich zehn.“
Wie, um seine Aussage zu beweisen, zog er einen selbst gebauten Bogen
und ein paar Pfeile in einem ledernen Köcher hinter seinem Rücken
hervor. Im ersten Moment war ich beeindruckt, doch dann fiel mein
Blick auf seine Hände und ich erschrak. Diese winzigen Hände, die
ich am Rande der Mauer gesehen hatte, und die aussahen, als gehörten
sie zu einem Zwei-, höchstens Dreijährigen, das waren Robins Hände.
Sie wirkten so abartig fremd an einem ansonsten, wie es schien,
normal entwickelten Körper, dass ich mich fragte, welches Schicksal
ihm widerfahren sein mochte. Robins Blick ruhte auf meinem Gesicht,
er beobachtete mich. Hatte er meine Irritation bemerkt? Um die
Situation zu überspielen und auch, um mein eigentliches Anliegen
vorzubringen, fragte ich ihn:
„Kannst
Du mir helfen? Ich würde gern hier übernachten.“
„Klar.
Komm, ich bring Dich zu meiner Mama. Sie ist hinten im Garten.“
Ich stieg aus und er hielt mir seine Hand hin. Nur widerwillig
ergriff ich sie und erschrak ein zweites Mal – sie war eiskalt.
„Thora
von Weyden, aber nennen Sie mich einfach Thora - herzlich
willkommen.“ Eine schlanke, elegante Frau, deren rote Lockenmähne
sie eindeutig als die Mutter von Robin kennzeichnete, erhob sich aus
einem der Korbstühle, die im Schatten eines riesigen Apfelbaumes
standen, kam auf mich zu und streckte mir ihre Hand zur Begrüßung
entgegen. Ich ergriff sie freudig, auch weil ich so endlich die
Hand
ihres
Sohnes freigeben
konnte.
Robins Mutter war eine faszinierende Frau, Ende dreißig, mit einem
ungewöhnlichen, schönen Gesicht. Fast schien es, als habe ein Maler
einem Porträt zwei Gesichter gegeben. Während Thoras rechte
Gesichtshälfte die einer Frau in den besten Jahren war – gepflegt,
aber mit kleinen Fältchen, insbesondere am Mund und am rechten Auge,
bot sie von links einen nahezu makellosen Anblick. Keine Falte, ja
nicht einmal ein Fältchen konnte ich auf der linken Seite ihres
Gesichts erkennen. Als gehörte dieser Teil ihres Gesichts einer
gerade zwanzigjährigen Frau. Mir wurde bewusst, dass ich die Mutter
ebenso anstarrte, wie kurz zuvor ihren Sohn und ich versuchte die
Peinlichkeit der Situation zu überspielen, indem ich mich
vorstellte:
„Amalia
Grand, Schriftstellerin, Sie dürfen gern Amalia sagen.“
Thora lächelte erfreut, das heißt, ihre rechte, ältere
Gesichtshälfte lächelte. Die linke Seite blieb regungslos. Eine
missglückte Botoxbehandlung?
„Oh
sehr schön. Wollen Sie etwa über unser Spukschloss schreiben?“
„Ähm,
nein, eigentlich wollte ich hier nur übernachten. Gibt es denn
Spukgeschichten über dieses Haus zu erzählen?“
„Nun,
im Dorf erzählt man sich so einiges, aber ich versichere Ihnen, das
ist alles nur Gerede. Als Anfang des letzten Jahrhunderts der letzte
Gutsherr starb, richtete man hier ein sogenanntes Siechenheim ein.
Müssen schlimme Zustände gewesen sein, mit bettlägerigen Menschen
überfüllte Säle, überfordertes Personal, mangelhafte Hygiene ...“
Thora zeigte mit weit ausholender Geste über das Anwesen.
„Sie
können sich gar nicht vorstellen, wie das nach der Wende hier
aussah. Mein Mann Friedrich und ich haben das Gutshaus günstig
erworben, all unsere Ersparnisse hineingesteckt, wollten hier leben
und viele Kinder bekommen. Kurz vor Robins Geburt starb er dann.“
Sie schluckte.
„Ein
tragischer Unfall. Er ist die Treppe hinab gestürzt.“
Mein Blick ging automatisch hinüber zur großen Freitreppe, was
Thora nicht unkommentiert ließ.
„Nein,
nicht diese. Im Haus gibt es neben der großen Treppe noch eine
schmale, steile, die früher den Dienstboten vorbehalten war. Seit
dem Unfall benutzen wir sie nicht mehr. Und ich vermiete an
Übernachtungsgäste.“
Es schwang Verbitterung in ihrer Stimme mit.
„Tun
Sie mir den Gefallen und essen mit uns zu Abend? Wir haben im Moment
keine weiteren Gäste.“
„Gern.
Ich
möchte
nur vorher noch ein Stückchen spazieren gehen.“
„Aber
natürlich. Lassen
Sie sich Zeit. Wir essen um acht, Robin hat ja Ferien. Links durch
den Park gelangen Sie ins Dorf, rechts am Bach entlang zum Wald. Es
wird Ihnen hier gefallen.“
Thora behielt recht, der Spaziergang gefiel mir sehr. Ich wählte
zunächst den Weg am Bach entlang, entdeckte dort tatsächlich
Biberspuren – sie waren eindeutig erkennbar – kegelförmig
abgenagte Äste und Stämme von kleinen Bäumen am Bachufer. Nur die
Biberburg selbst blieb mir verborgen. Dafür stieß ich auf ein
Schild mit der Aufschrift Rundweg und gelangte so, durch den Wald, in
großem Bogen zurück ins Dorf. Das kleine Kirchlein stand auf einem
Feldsteinsockel und war ansonsten ebenfalls ganz aus Backsteinen
erbaut, wie das Gutshaus. Es wurde von einem windschiefen Turm
gekrönt und von einer noch schieferen Mauer eingefasst, hinter der
ich ein paar Grabsteine krumm und buckelig hocken sah. Ich liebe alte
Friedhöfe, sie geben unserem Dasein ein Gefühl von Relativität,
als wäre all unser Kummer, all unsere Freude, schon einmal gelebt
worden. Nur eben von anderen Menschen.
Andächtig
schritt ich durch die Reihen. Armeleutegräber mit einfachen,
schwarzen Steinen oder kleinen Grabplatten, die meisten mit Efeu
überwuchert, doch deuteten vereinzelte Blumensträuße darauf hin,
dass noch Angehörige in der näheren Umgebung leben mussten. Im
hinteren Teil des Friedhofs gab es im Schatten einer alten Eiche eine
Wiese mit einer großen Tafel. Hier lagen die Toten des Siechenheims.
Ich zählte weit über zweihundert Namen auf der Tafel und wagte mir
gar nicht vorzustellen, wie
man sie hier begraben hatte. Am Ende der Wiese ragte ein Bauwerk aus
hellem Sandstein auf, das fast schon freundlich wirkte in dieser
düsteren Umgebung. Interessiert trat ich näher und erkannte, dass
es sich dabei um die Gruft der Familie von Weyden handelte. Einem
antiken Tempel nicht unähnlich, nur dass keine klassischen Säulen
das dreieckig emporragende Dach trugen, sondern stilisierte
Trauerweiden. Ein schmiedeeisernes Gitter verwehrte den Zugang ins
Innere der Gruft. Die Jahreszahlen auf der, aus glänzendem Marmor
bestehenden, Tafel ließen mich stutzig werden. Friedrich von Weyden
18.2.1959 – 25.9.1998.
Hatte Thora nicht gesagt, ihr Mann sei kurz vor Robins Geburt
gestorben? Und Robin wiederum hatte mir stolz berichtet, dass er im
Oktober zehn
Jahre alt würde? Dann war Friedrich bereits fünf Jahre tot, als
Robin auf die Welt kam, und konnte somit nicht sein Vater sein.
Eine schnarrende Stimme riss mich aus meinen Überlegungen.
„Gehör'n
Se zu denen?“
Eine kleine, alte Frau, in schwarzer Kittelschürze mit grauen
Blümchen darauf, kam in Gummistiefeln auf mich zugeschlurft. In der
linken Hand trug sie eine kleine Gießkanne, den Zeigefinger der
rechten Hand hielt sie fast anklagend auf die Gruft gerichtet,
während ihre Frage noch in der Luft hing.
„Nein“,
beeilte ich mich zu versichern, als fühlte ich mich zu Unrecht
verdächtigt. „Ich bin nur auf der Durchreise und übernachte im
Gutshotel.“
„Besser
für Sie!“
Damit hatte sie nun doch meine Neugierde geweckt.
„Warum?“
Die Alte kam so nahe, dass ich ihren schlechten Atem riechen konnte,
blickte mich mit kleinen Augen fast verschwörerisch an und schnarrte
leise:
„Weil
es eine Schande ist.“
Ich verstand immer noch nichts. Meinte sie Robins Geburt so lange
nach dem Tod seines angeblichen Vaters? Die Alte sah wohl meine
Ratlosigkeit und zog mich zu einer steinernen Bank im Schatten der
großen Eiche. Dort erfuhr ich von ihr, dass Friedrich von Weyden,
kaum dass die wichtigsten Sanierungsarbeiten am Gutshaus erledigt
waren, diese Gruft anlegen ließ. Er fühlte sich dazu berufen, nach
alter Gutsherrenmanier zu residieren und meinte, eine Familiengruft
gehöre dazu. Dass er diese auf der Fläche des ehemaligen
Massengrabes vom Siechenheim anlegte, schien ihn nicht zu stören.
Knochen, die bei den Baggerarbeiten ans Tageslicht kamen, wurden
einfach an anderer Stelle wieder verscharrt.
„Wer
die Totenruhe stört, kommt selbst zu Tode …“
Für die Alte war es ganz klar, dass es sich bei Friedrichs
Treppensturz um keinen Unfall handelte, sondern um die Rache der
Geister der Verstorbenen.
„Auf
dem Haus und der Familie liegt ein Fluch. Ich würde keinen Fuß ins
Gutshaus setzen, niemals.“
Sie bekreuzigte sich, schnappte sich ihre kleine Gießkanne und
schlurfte davon. Nachdenklich sah ich ihr hinterher. Natürlich
glaubte ich nicht an solchen Spuk. Aber schließlich war ich
Schriftstellerin und warum sollte ich nicht zur Abwechslung einmal
eine Geistergeschichte schreiben? Thora könnte mir sicher noch ein
paar Fragen beantworten.
Mein knurrender Magen erinnerte mich daran, dass die Zeit des
Abendessens nahte und so machte ich mich auf den Rückweg. Kaum hatte
ich den Friedhof verlassen, erfasste mich eine angenehme
Fröhlichkeit. Die Vögel sangen ihr Abendlied, Blumen dufteten am
Wegesrand und ich würde mir den Spaß erlauben und eine
Gruselgeschichte schreiben. Thora erwartete mich bereits und zeigte
mir mein Zimmer. Es war riesig, mit einer großen Flügeltür, einem
Balkon zum Garten hin und einem wundervollen Himmelbett in der Mitte
des Raumes, sodass ich mich fast wie eine Prinzessin in ihren
Gemächern fühlte. Bis mir wieder einfiel, dass bis vor knapp
fünfundzwanzig Jahren wohl zwanzig Menschen in so einem Raum gelegen
hatten.
Das Abendessen war einfach, aber gut. Es gab frisches Brot, Käse,
Salat und einen herrlich fruchtigen Brombeerwein – selbst gemacht,
wie Thora mir versicherte. Unser Gespräch drehte sich um belanglose
Themen. Thora berichtete vom Umbau des Gutshauses und interessierte
sich zu erfahren, welche Bücher ich bereits veröffentlicht hätte.
Ich ließ ihr „Nach(t)Sicht“ als Geschenk da. Weil Robin die
ganze Zeit über mit am Tisch blieb, wagte ich nicht, das Gespräch
auf Friedrichs Tod und das Spukthema zu lenken. Eine plötzliche
Müdigkeit ließ mich meine Fragen auf den nächsten Morgen
verschieben. Dann, so hoffte ich, würde ich Thora noch einmal allein
sprechen können.
Von meinem Zimmer gingen zwei kleine Türen ab. Eine davon führte in
eine leer stehende Abstellkammer, die andere in ein sehr schönes
Badezimmer mit Wanne und Dusche. Spontan beschloss ich, ein Bad zu
nehmen, genoss die entspannende Wirkung des warmen Wassers und war
danach hundemüde. Die kleine Lampe neben meinem Bett tauchte das
Zimmer in angenehmes Dämmerlicht. Gerade wollte ich mich in die
weichen Kissen sinken lassen, als mein Blick auf die Tür zur
Abstellkammer fiel, die einen Spaltbreit offen stand. Wir hatten sie
wohl nicht wieder richtig geschlossen, als Thora mir das Zimmer
zeigte. Seufzend stieg ich wieder aus dem Bett und huschte auf
nackten Füßen durchs Zimmer. Einem Impuls folgend, öffnete ich die
Tür noch einmal, um mich zu vergewissern, dass der Raum dahinter
auch wirklich leer war. Die Kammer war fensterlos, ungefähr zwei mal
drei Meter groß und tatsächlich komplett leer. Was hatte ich denn
erwartet? Dass dort plötzlich ein Geist hockte und mich angrinste?
Blödsinn! Nachdenklich blieb ich einen Moment auf der Türschwelle
stehen, überlegte, was man hier früher wohl abgestellt haben
mochte, oder – und dabei stellten sich mir die Haare auf meinen
nackten Unterarmen auf – wen. Eine plötzliche Kälte erfasste
mich, so als ginge ein leiser Luftzug und ich merkte, dass mein Atem,
der eben noch ruhig und gleichmäßig gewesen war, plötzlich
schneller wurde, als käme ich mit Mühe eine steile Treppe hinauf
gestiegen. Dabei stand ich völlig unbeweglich. Entschlossen trat ich
einen Schritt zurück, schlug ich die Tür zu und erschrak selbst
über das laute Geräusch, das ich dabei verursachte. Um alle
Spukgedanken endgültig zu vertreiben, drehte ich auch noch den
Schlüssel um und vergewisserte mich, dass die kleine Tür nun fest
verschlossen war. Zufrieden ging ich ins Bett und fiel in einen
traumlosen Schlaf.
Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass ich ein typischer
Bauchschläfer bin? So lag ich auch hier, im Himmelbett des
Gutshauses, selig schlafend auf dem Bauch, bis … eine eiskalte Hand
mir an den Po griff! Ich war sofort hellwach, drehte mich herum, setzte mich auf und
sah mich im Schein des Mondlichts, das durchs Fenster fiel, in meinem
Zimmer um. Alles wirkte ruhig, niemand außer mir war hier. Und doch.
Ich hatte die Hand gespürt, ganz deutlich. Meine linke Pobacke
fühlte sich noch eiskalt an. Hatte ich so realistisch geträumt?
Dann fiel mein Blick auf die Tür der Abstellkammer. Sie stand wieder
einen Spaltbreit offen. Wie konnte das sein? Ärgerlich sprang ich
aus dem Bett und schrie leise auf. Meine linke Pobacke verkrampfte
sich schmerzhaft, sodass ich zur Abstellkammer mehr humpelte, als
ging. Kopfschüttelnd öffnete ich die Tür und
betätigte den Lichtschalter. Das grelle Licht blendete mich
kurzzeitig, trotzdem glaubte ich, eine Bewegung wahrzunehmen. Ein
Flirren, wie man es im Sommer manchmal über dem heißen Asphalt
sehen kann. Nur, in der Kammer war es eiskalt, viel kälter als in
meinem Zimmer. Und, auch wenn ich es rational nicht erklären konnte,
ich fühlte mich nicht allein. Ich spürte, wie die Kälte von
meinem ganzen Körper Besitz ergriff, fast wollte das Entsetzen mich
lähmen, doch das durfte ich nicht zulassen. Hastig zog ich mich an,
warf meine Sachen in den Koffer, klemmte einen Einhunderteuroschein
unter den Fuß der Nachttischlampe und verließ fluchtartig das
Zimmer. Direkt gegenüber meiner Zimmertür lag der Zugang zum
Dienstbotentreppenhaus und somit der kürzeste Weg nach draußen. Ich
stolperte mehr, als dass ich lief, die steile Treppe hinunter und es
grenzte an ein Wunder, dass ich es nicht Friedrich gleichtat und
hinabstürzte. Unten angekommen heulte ich auf, wie ein verwundetes
Tier. Die Tür zum Garten, in die rettende Freiheit - sie war
verschlossen! Kein Schlüssel steckte, sodass ich in der Falle saß.
Mir blieb nichts weiter übrig, als die steile Treppe mit wachsendem
Entsetzen wieder hinaufzusteigen. Obwohl mein Koffer nur klein und
leicht war, fiel mir das von Stufe zu Stufe schwerer, denn eine
eigenartige Lähmung schien sich, ausgehend von meiner immer noch
eiskalten und mittlerweile gefühllosen linken Pobacke, in meinem
Körper auszubreiten. Irgendwo in der Tiefe des Hauses glaubte ich,
Gelächter zu hören, höhnisch und mehrstimmig.
Mit letzter Kraft erreichte ich den Flur, schleppte mich an meinem
Zimmer vorbei, nach vorn, zur großen Freitreppe. Mittlerweile konnte
ich das linke Bein nicht mehr richtig bewegen, ich zog es mehr hinter
mir her, als dass es mich trug. Die große Tür an der Freitreppe war
zwar auch verschlossen, jedoch zu meinem Glück nur mit einem Riegel,
der sich normalerweise leicht von innen öffnen ließ. Meine Hände
zitterten jedoch so stark, dass es mir erst beim dritten Versuch
gelang, ihn zurückzuschieben. Die kühle Nachtluft wirkte befreiend.
Ich merkte, wie mein Atem ein wenig ruhiger, meine Gedanken klarer
wurden. Was blieb, war das Ziel: fort von hier. Ehrlich gesagt weiß
ich nicht mehr, wie es mir gelang, die äußere Schlosstreppe
hinabzukommen. Ich fand mich jedenfalls irgendwann in meinem Cabrio
wieder, das immer noch am Fuße der Freitreppe stand, und dankte im
Geiste dem Verkäufer, dem es gelungen war, mir die Version mit
Automatikgetriebe aufzuschwatzen. Mit meinem nun völlig steifen
linken Bein wäre es mir unmöglich gewesen, eine Kupplung zu
betätigen. Ich sauste mit Vollgas vom Hof, dass die Kiesbröckchen
nur so durch die Gegend flogen. Aus den Augenwinkeln sah ich im
Mondlicht die Gestalt der Alten vom Friedhof am Straßenrand, mit
Kittelschürze und Gummistiefeln. Sie winkte mir hinterher. Oder
schüttelte sie drohend die Faust?
2052
„So
ihr Lieben, nun aber genug Spukgeschichten erzählt. Slopentied.“
Ich drücke die beiden Mädchen an meinen dicken Busen und geleite
sie dann ins Bett. Dass ich mein linkes Bein noch ein bisschen
nachziehe, fällt kaum jemandem auf. Die Lähmung war zum Glück
nicht von Dauer. Ja, ich bin eine echte Bilderbuchgroßmutter
geworden. Mit großem Busen, großem Herz, ein bisschen füllig. Nur
meine linke Pobacke ist immer noch klein und knackig, wie bei einer
Fünfundzwanzigjährigen. Und eiskalt.
***
Hat Dir die Geschichte gefallen? Oder auch nicht? Und jetzt? Kommentare bitte!!!
Jaaaa wie gut, ich hab total Gänsehaut bekommen!!
AntwortenLöschenDer Schluss ist der Knaller und hat bei mir so eine Art Flashback ausgelöst!!!
Außerdem konnte ich mir alles sehr bildlich vorstellen xD
Sehr sehr gut! :.D
Coole Geschichte!!!!
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