Oh,
dieser Tag! Heute läuft aber auch alles quer. Ich bin sauer und
werde mich beschweren. Bei IHM - diesem Tag, der mit
überkochender Milch begann, im Büro nur aus problemgeladenen
Meetings bestand und mir nichts als unangenehme Rechnungen in den
Briefkasten warf.
Im
Geiste lege ich mir meine Worte zurecht. Ganz sachlich und ruhig
werde ich mit ihm reden. Dann wird er hoffentlich seine Fehler
einsehen und sich künftig mehr Mühe geben.
Da
sitzt er ja - der Tag! Lächelt mich einfach an. Hockt mitten auf der
Wiese und hat dabei lässig die Beine übereinandergeschlagen. Sein
Haar glänzt golden in der Sonne. Was tut er da? Ich setze mich neben
ihn und schaue zu, wie er behutsam eine Perle aus einem Körbchen
nimmt und auf eine Schnur fädelt. Es ist eine wunderschöne Perle.
Leuchtend gelb und glänzend, wie die Blume, die heute auf meiner
Fensterbank ihre ersten Knospen öffnete. Fast glaube ich, dass sie
den gleichen, zarten Wohlgeruch verströmt. Eine zweite Perle holt
der Tag hervor. Sie ist von einer undefinierbaren Farbe,
graubraun-dunkelweiß. Aber sie sieht genauso flauschig aus, wie die
Schafe, die am Straßenrand weiden. Am liebsten würde ich diese
Perle mit meinen Händen berühren, darüber streicheln, fühlen, wie
weich sie ist. Auch diese Flauschperle fädelt er auf die Schnur und
lächelt dabei.
Das
Spiel gefällt mir. Ich bin neugierig, was als Nächstes kommt. Es
ist eine grüne Perle, und sie duftet nach Sommer, wie die frisch
gemähte Wiese nebenan. Tief atme ich ein, schließe die Augen und
denke dabei an viele glückliche Sommertage. Als ich wieder
aufblicke, ist auch die grüne Perle bereits auf der Schnur, gefolgt
von einer unschuldig weißen. Diese scheint sich leicht im Wind zu
bewegen und ähnelt den ersten Anemonen, die ich im Wald entdeckte,
als ich mit dem Hund spazieren ging.
Der
weißen Perle folgt eine braune, die irgendwie saftig aussieht, ganz
wie der Schokoladenkuchen, den die Nachbarin heute Nachmittag mit mir
teilte. Dann eine goldene - in ihr scheint der Glanz der ersten
Sonnenstrahlen gefangen zu sein, die am frühen Morgen durch mein
Fenster fielen.
Sie
alle fädelt der Tag mit sanfter Bewegung auf die Schnur.
Und
ein letztes Mal greift er in sein Körbchen, zieht vorsichtig eine
glänzend schwarze Perle hervor. Von ihr geht ein lieblicher Klang
aus - wie der Gesang der Amsel, die auf dem Dachfirst unseres Hauses
gerade ihr Lied singt. Nachdem auch diese Perle bei den anderen auf
der Schnur ist, bindet er sie zusammen, zu einer leuchtend bunten,
duftenden und klingenden, wunderschönen Kette.
Dann
ist der Tag fort, ganz plötzlich. Seine Schwester, die Nacht,
schwebt über die Wiese herbei und breitet ihre schwarzen Tücher
aus, alles einhüllend. Für mich wird es Zeit nach Hause zu gehen.
Nichts Wichtiges blieb ungesagt. Um meinen Hals trage ich die
zauberhafte, einmalige Kette dieses Tages.
Dankeschön!!!!!! ;o))))
AntwortenLöschenSoooo passend für den heutigen Tag, als hättest du es für/über mich geschrieben....
LG, Maren R.